Auf den Spuren eines deutschen Autors in Montpellier
Crédits photo bandeau Jardin des Plantes de Montpellier © Eric Brendle
Jenseits der Sehenswürdigkeiten. Ein Spaziergang in Montpellier.
- 1 tag
- Winter / Herbst / Frühling / Sommer
Von
Horst Markgraf, Deutscher Filmemacher, Drehbuchautor und Komponist.
Horst besucht Montpellier und lädt uns zu einem neugierigen, poetischen und humanistischen Spaziergang durch die Stadtviertel ein. Ein anderer Blick auf die Stadt. Wie im Kino tauchen Sie in die Welt von Horst Markgraf ein...
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01
Im jardin des plantes... so hört man gelegentlich ein einsames Vogelzwitschern
Stellen Sie sich vor, man würde an Sie herantreten und Ihnen das Angebot schmackhaft machen, sich für einen Spaziergang an einen Ort ihrer Wahl begeben zu können. Stellen Sie sich vor, Sie würden sich umgehend dazu entschließen, sich neugierig und aufgeregt bereit machen und ihr Wunsch käme augenblicklich in Erfüllung. Von einem Moment auf den anderen wären Sie mittendrin. Mitten in Montpellier.
Wer gezielt darauf achtet, wie seine Anreise nach Montpellier verläuft, hat möglicherweise nicht diese Empfindung, deshalb sollte man es nach Möglichkeit so anstellen, dass einem die städtischen Bilder wie im Kino ganz plötzlich anspringen, gewissermaßen so, als seien einem auf der Anreise die Augen verbunden.
Wer Glück hat, erwischt einen Tag Anfang Oktober, wenn die Sonne ihre gefährliche Kraft etwas eingebüßt hat und ihre schier endlosen Lichtstrahlen die mediterrane Landschaft nur noch sanft berühren. Und wer zum ersten Mal -wie sozusagen höheren Ortes hineingestellt- im Jardin des Plantes gewissermaßen zu Bewusstsein kommt, sagen wir an einem Vormittag, der könnte sich an den Garten des Epikur erinnert fühlen, von der Muse geküsst sein und ergriffen von einer speziellen Sehnsucht, die danach giert, sich von diesem Moment an nur noch den schön geistigen Dingen zu widmen. Es heißt, Paul Valery habe in diesem ältesten botanischen Garten Frankreichs gern verweilt, wurde er doch unweit in Sête geboren.
Schlendert man in dem Garten herum, so hört man gelegentlich ein einsames Vogelzwitschern. Schritte entfernt dringt plötzlich ein Quaken ans Ohr. Wer sich dann zur eigenen Inspiration ein wenig mit den Fröschen in diesem verwunschenen Teich anfreunden möchte, der bringt etwas Zeit und ein adäquates Zutrauen ihnen gegenüber mit. Es sieht nämlich fast danach aus, als warteten sie nur auf eine Begegnung, so neugierig sitzen sie in Vielzahl auf den feuchten Blättern der Seerosen. Sie springen erst ins Wasser, wenn sich das Schlüsselklappern einer Person des Sicherheitsdienstes nähert.
Unweit wird ein junger Mann mit Hund gebeten, die Bank wieder freizumachen und sich Richtung Ausgang zu begeben.
Selbst setzt man seinen Weg fort, bestaunt einen kleinen Teil der Vegetation der über zweitausend Pflanzenarten, etwa den zweihundertfünfzig Jahre alten Olivenbaum, den beindruckenden Bambuswald, den Ginkgo biloba aus dem 18. Jahrhundert sucht man vergeblich und verliert sich stattdessen in der Zeit, als stünde so lange alles Bekannte in und um einen herum still, bis man wieder zum Tor hinaustritt.
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02
Zwischen mittelalterlicher Baukunst und Moderne
Exakt um die Mittagszeit versammeln sich diejenigen, die sich eine Einkehr zu einem Plate de Jour in einem der etablierten Restaurants nicht leisten können, in einem großzügigen, von hohen Platanen Schatten spendenden Gelände am Place de Albert 1er. Hilfsbereite Hände haben in einem großzügigen Abstand bereits Stehtische platziert, der gewährleistet, dass Gesprächsfetzen nicht von einem zum nächsten dringen können und somit die Privatsphäre der Gäste gewährleistet ist.
Ein Caravan des Restaurants du Coeur ist aufgestellt, in dem zwei Fleißige dutzende warme Essen portionieren und vor dem sich inzwischen eine Reihe Hungriger gebildet hat, in deren Gesichtern man eine Vorfreude liest, die man bei gewöhnlichen Restaurantgästen oft vergeblich sucht. Schon eine Stunde später hat sich die anmutige Szenerie bis auf zwei, drei am Geländerand Dösende wieder aufgelöst und man setzt seinen eigenen Weg im Uhrzeigersinn mit dem uns bekannten Gedanken fort, dass der materielle Reichtum unserer Welt vielfach falsch verteilt ist.
Vielleicht ist es außerhalb des Gürtels der historischen Altstadt am allerschönsten. So vieles fließt organisch ineinander. Man sieht große und kleine Gruppen Studierender, die von den Universitäten schon zurückkehren oder auf sie zusteuern. Man sieht die weichen Übergänge der alten Bausubstanz des Mittelalters und der Renaissance zu einem Modernismus vom Stadtkern hinweg, der einer schlichteren Funktion geschuldet scheint.
Man staunt selbstverständlich über die Architektur des Centre Chorégraphique National Montpellier Danse et l`Agora, richtet seine Schritte aber nicht darauf zu, sondern quert stattdessen den Quai des Verdanson und schlendert die Rue Belmont entlang.
Unmittelbar spürt man hier den Arbeitsalltag der Ansässigen und das ewige Hin- und Her der hiesigen Existenzen, das sich auf eine längere Distanz betrachtet wohl dem Streben nach einer Verbesserung der eigenen Verhältnisse unterwirft. Getränke- und Obstkisten werden ausgeliefert, Fahrzeuge repariert, der Postbote bringt bestellte Waren und so vieles bleibt einem verborgen, was sich hinter den Fenstern der Häuser abspielt.
Auch der Place des Beaux Arts ist einer der Plätze, die in einem geeigneten Moment, einer Oase gleich, zum Verweilen einladen. Man kauft sich ein leckeres Sandwich, blickt sich um und sieht junge Frauen mit Babys im Arm, die auf Parkbänken rasten und die ihr Tempo derart herunterfahren, dass sich wohl ein Davor und Danach ihrer eigenen Gegenwart hier anschaulich betrachten lässt. Selbst drängt es einen weiter, wiederum südlich, an einer der bunten Straßenbahnen vorbei über den wie verwaisten Corum Palais des Congrès Opera Berlioz durch den Jardin du Champs du Mars hindurch, in dem so viele junge Leute sich scharen, ihren Austausch und die Wärme der Sonne genießen, dass man meint, die Lehrer streiken womöglich und die Schule sei ausgefallen.
Geht man als Fremdling in Montpellier verloren, ist es die enorme Hilfsbereitschaft eines Ortskundigen, der einem den Weg wieder weist. Achtet man auf Gesichter, die einem entgegenkommen, meint man eine innere Zufriedenheit, eine Art gelöst sein zu erkennen, die vermutlich daher rührt, dass diese Menschen, wenn sie nun keine Touristen sind, ganz bewusst nicht in Paris, in Bordeaux, in der Normandie oder sonst wo in Frankreich leben, sondern in der Hauptstadt des Languedoc. Man sucht vergeblich nach einer Art Unruhe oder Nervosität, die einem so häufig überall sonst begegnet.
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03
Zum Wasser des Lez Es herrscht Ruhe
Ehrlicherweise -und diese Haltung dürfen Sie durchaus erwarten- lädt weder das Centre Commercial le Polygone noch die antik nachempfundene Architektur des Antigone-Komplexes zum Verweilen ein.
Zum einen ist man als touristischer Spaziergänger nicht an Produkten des täglichen Bedarfs interessiert, sondern im Gegenteil froh darüber, dass man den eigenen Alltag hinter sich lassen kann, und zum andern fühlt man sich inmitten der überdimensional konzipierten Antigone und dem Place de l`Europe so winzig, auf sich allein gestellt und unbedeutend, dass man froh ist, endlich am Wasser des Le Lez entlang zu gehen, bald schon eine Kehre nach Westen einzuschlagen, den Place Faulquier zu erreichen, um über die Rue de Méditerranée oder auch die Rue Lamartine schließlich einigermaßen gut gelaunt am charmant winzigen Place Francois Jaumes einzutreffen.
Ähnlich den Wüstenvölkern, die dann eine Rast einlegen, wenn sie spüren, dass zwar ihr Körper, aber ihre Seele noch nicht angekommen ist, lässt man sich nieder und wird so gut wie gar nicht mehr von mobilem Straßenverkehr tangiert. Es ist ruhig wie in einem schlafenden Dorf, man hört leises Geschirr klappern, Gläser stoßen aneinander, und man bestellt sich eine Kleinigkeit -es muss nicht das Bouchon Catalan sein, aber auch dort wird man so bedient und verpflegt, dass man sich darüber wundert, dass nur wenige, andere Spaziergänger sich an diesem späten Nachmittag eingefunden haben.
Ist doch der Place de Comédie, den wir wie so viele der Sehenswürdigkeiten auf unserem Sparziergang vorsätzlich meiden, keine fünf Minuten zu Fuß entfernt.
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04
Der Stadtteil Gambetta Städtischer und beliebter Spaziergang
Gestärkt überquert man schließlich den Gare Saint-Roch, schlendert westlich und ansonsten wie es einem beliebt durch das Quartier Gambetta.
Weshalb sollte es ein Geheimnis bleiben, dass die Peripherie der historisch gewachsenen Metropole auch auf der Südseite zu den interessanten Stadtstreifen gehört, die Montpellier bereithält. Sämtliche Geschäfte konzentrieren sich auf den nötigen Bedarf eines Einwohnerlebens, die Preise sind so hoch, wie sie es ohne Übertreibung heutzutage auch sein müssen und Veränderungen durch touristische Einflüsse scheinen hier so ausbalanciert, dass jeder willkommen ist, der keine lauten, wilden Tänze oder sonstige waghalsigen Manöver zum lediglich eigenen Vergnügen aufführt.
Man sollte niemanden, der sich eine Reise nach Montpellier nicht oft leisten kann, guten Gewissens raten, den Place Roger Salengro zu betreten, jedenfalls nicht in der einsetzenden Dämmerung, bei einem lauen Wind und etwa 20 Grad Celsius. Es könnte nämlich sein, dass dieser Aufenthalt einen derartigen Eindruck hinterlässt, dass Fernando Pessoa, der portugiesische Philosoph recht behielte in dem er behauptete, dass es ausreiche, eine einzige Straße in- und auswendig zu kennen, und damit gleichsam alle Straßen der Welt.
Wer ist Roger Salengro?
Nebenbei erwähnt, war Salengro seinerzeit gegen die rechte action francaise aktiv. Man startete 1936 eine Verleumdungskampagne gegen ihn, die den damaligen Innenminister noch im selben Jahr in den Suizid trieb.
Allein deswegen könnte der Aufenthalt auf dem Platz seines Namens eine Art Geste sein, die sich gegen den oft unbedachten Zulauf der Front National und überhaupt aller aufkommenden, rechten Parteien in Europa stellt, sollte doch niemand allein wegen seiner Andersartigkeit ausgegrenzt und diffamiert werden. Vielleicht ist es gerade deswegen so passend, dass sich auf dem Place Roger Salengro verschiedene Kulturen so zauberhaft begegnen, wenn es auch nicht auszuschließen ist, dass gelegentlich Konflikte entstehen, aber wo entstehen sie nicht?
Das Délirium Café scheint ein regelrechter Magnet.
Setzt man sich aber auf eine der unweit platzierten Bänke, nimmt ein sympathisch gealterter Herr mit arabischen Wurzeln neben einem Platz, der einem höflich -obgleich es sich vermutlich um ‚seinen Stammplatz‘ handelt- das genaue Gegenteil von Gebietsansprüchen signalisiert und sich schüchtern erst nach einer Aufforderung dazu setzt, den Gehstock zwischen die langen Beine gestellt, als habe man ihm das elegant gewundene Stück Holz seiner Altersweisheit wegen überreicht. Was für eine Stille, die dann entsteht, wenn man gemeinsam respektvoll schweigend seinen jeweiligen Gedanken nachhängt, während die wahrgenommenen Bilder eindringen, die allesamt einen unfassbar weichen Himmel über sich wissen, als wäre ein riesiges Gaze-Tuch über dem Platz gespannt.
Schulkinder tauschen ihre heutigen Schulereignisse und auch Befürchtungen den Klimawandel und herrschende Kriege betreffend aus, ohne zu erahnen, dass man ihnen ein schüchternes Lächeln entgegenbringt, wohl deshalb, weil auch unsere Welt als Kind unübersichtlich und grenzenlos schien, so dass wir gelegentlich Furcht hatten vor allem, was noch auf uns zukommen würde.
Man sieht stolze Väter, die mit ihren aufgedrehten Söhnen Ball spielen, junge Mütter -mit und ohne Kopftücher- die ihre Töchter gelassen und vergnügt über den weißen Sand des kleinen Spielplatzes führen. Man hört verschiedene Sprachen und es ist auffällig, wie viele Mobiltelefone, die in Wahrheit kleine Computer mit tausenden Möglichkeiten der Anwendung sind, in den Händen balanciert werden und ihre Besitzer davon abhalten, mit anderen zu kommunizieren. Pausenlos kreuzen Fahrräder den Blick, Motor- und E-Roller, Hunde aller Art werden noch spazieren geführt und die Kleinsten, müde vom Tagesgeschehen, werden so getragen, dass sie sehen können, wie das Leben auf dem Place Roger Salengro im Rücken ihrer Besitzerin fortschreitet.
Kleine Gruppen junger Frauen ziehen scherzend und entspannt vom Yoga-Training vorüber. Letzte Einkäufe werden noch in die Wohnung transportiert und diejenigen, die keine eigene Bleibe haben, lassen sich von treuen Hunden bereits in das gestrige Nachlager führen; alles will vorbereitet sein, denn auch Menschen ohne Obdach erwarten Gäste, gerade für sie ist es wohl besonders wichtig, dass sie einige der Nachtstunden mit Gleichgesinnten teilen.
Ein lauer Abendwind streicht unter die Planen der Geschäfte und hebt auch die Schirme der Restaurant-Bars unmerklich an, in denen man von Leuten bedient wird, die es gut mit einem meinen. Laternenlicht springt plötzlich an, als habe der Bürgermeister selbst auf den Knopf gedrückt, die Hausfassaden ändern ihr Gesicht. Verloren sie mit dem blasser werdenden Tageslicht soeben noch im Einklang ihre Farben, so signalisiert nun das gelbliche Laternenlicht, dass die Nacht bald naht. Weshalb sind es gerade solche Momente des Übergangs, das fragen wir uns, die unsere Gedanken ganz sachte in eine andere Richtung lenken.
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Das Viertel Les Arceaux Unter dem Aquädukt von Saint-Clément
Innere Bilder drängen sich ins lebendige, äußere Geschehen und wir fühlen uns denjenigen ganz plötzlich nahe, denen wir auf besondere Weise zugeneigt sind. Inmitten des städtischen Treibens entsteht so eine Stimmung, die eine wie auf uns herabgeworfene Wertschätzung unserer Lebenszeit mit sich bringt und die sich so unaufdringlich in uns ausbreiten kann wie eine Filmsequenz, vielleicht von Andrei Tarkovsky, in der man einfach verweilen mag.
Sobald die Dunkelheit sich etabliert hat, kreuzt man die Avenue de Lodève und sucht eine geeignete Gasse, die in nördliche Richtung führt. Falls diese eingeschlagene Passage nun zu dunkel und fremd auf einen wirkt, mag es ratsam sein, sich nicht völlig orientierungslos zu verhalten. Die Einschätzung, es könnten die wie lautlos auf E-Scootern dahingleitenden jungen Männer Ausschau nach einem Opfer halten, das sich verirrt und es gleichsam verdient hat, dessen Tasche an sich zu reißen, stellt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als fehlerhaft heraus. Man ist vom vielen Spazieren nun möglichen Gefahren gegenüber überempfindlich und geneigt, die Absichten von Fremden fehlzuinterpretieren. Beim Anblick des Aqueduct de Saint- Clément, dem längst stillgelegten Bauwerk aus dem 18. Jahrhundert, das plötzlich als Gesicht des Quartiers Les Arceaux vor uns in den nachblauen Himmel ragt, fühlt man sich wie ein Ankömmling. Und man ist einer.
Man blickt auf dutzende Gäste am Boulevard, die auf der Terrasse des La Cigale in vitaler Redelaune ihre Köpfe zusammenstecken, streift an ihnen vorbei ins Innere und setzt sich an einen Tisch ans Fenster -eine Einkehr und ein warmes Essen scheint nun exakt das Richtige.
Man lächelt, man ist froh. Von hier aus lässt sich zudem das gesamte Geschehen überblicken. Ein ausgesprochen zuvorkommender Kellner erklärt einem umgehend die Gerichte, die wie von Kinderhand mit Kreide auf der Schiefertafel stehen. Man entscheidet sich gegen das Steak und für die Dorade, dazu einen Picpoul Blanc aus dem hiesigen Languedoc-Roussillon. Und hätte man -wie ausnahmslos sämtliche Gäste des Lokals- ein Gegenüber, teilte man sich nun ebenfalls mit, aber man ist an diesem langen, abwechslungsreichen Tag ein Spaziergänger, der sich selbst genügt und unterwegs, um zu einem späteren Zeitpunkt Mitteilung zu machen.
Hätte man im unweiten Hotel des Arceaux -das offensichtlich Reputation und zweimal die Woche den Markt mit lokalen Produkten direkt vor der Tür hat- sein Quartier für die Nacht gebucht, wäre man nach dem vorzüglichen Abendessen nur noch einen Steinwurf davon entfernt, aber noch hat man eine kleine Strecke vor sich.
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Zurück Royal Place de la Canourgue Café du Roi, Jardin de la Reine...
Nicht nur dem Umstand geschuldet, dass die Promenade du Peyrou, die exakt auf den berühmten Triumphbogen zuführt, um diese Uhrzeit geschlossen ist, sondern auch einer Neugierde darauf, sich in weniger nach Aufmerksamkeit haschenden Straßen zu verlieren, führt einen umgehend zum Plan Narcissa, einem fast winzigen Platz, zu dem sich kaum jemand verirrt, der nicht ortskundig ist.
Verweilt man unter dem Nachthimmel an einem der Tischchen des dortigen Cafe du Roi, nur weil sie so einladend und gemütlich wirken, kann es sein, dass man bei einem Cognac mit einem Ehepaar aus dem Quartier ins Gespräch kommt.
Gleichermaßen von Beiden, die froh sind, ihre leise, aufkommende Dissonanz vorübergehend ruhen zu lassen, erfährt man, dass sich nur wenige Schritte entfernt das Eingangstor zum Jardin de la Reine versteckt, einem wohl zauberhaft gepflegten Gärtchen, dessen Besuch allerdings nur bestimmten Einwohnern vorbehalten ist; mit einer Ausnahme, dem Samstagnachmittag, an dem sich für alle die Tore öffnen. Niemand hat es je bereut das kleine Gärtchen zu betreten -so flüstert das Paar fast unisono - das topographisch gesehen wie ein Kirchenschiff zwischen der Rue de Dahlia und der Rue de Carré du Roi eingeklemmt ist, zumindest ist nichts dergleichen bekannt.
Man rechnet meist mit dem Schlimmsten, aber oft sind es glückliche Umstände, in die man gerät, wenn man bereit ist ein Wagnis einzugehen, auch wenn es an dieser Stelle noch so gering sein mag und diesen Begriff kaum verdient. Man entscheidet sich jedenfalls gegen den direkten Weg die Rue de Carré du Roi entlang, über die man auf schnellstem Weg zu seiner Unterkunft gelänge und irrt stattdessen wie wachgerüttelt nochmals den Zaun des nachts geschlossenen Jardin des Plantes entlang, quert den Boulevard Henry IV, kreuzt den Place St. Pierre im Schatten der gleichnamigen Kathedrale und findet sich -etwas außer Atem- schließlich am Place de Canourgue im Rücken der Faculté de Médecine wieder.
Hoch oben herrscht, wie es scheint, -denn es ist ein Ausblick nach unten auf einen Teil der Cathèdrale At. Pierre, der sich einem bietet- eine beeindruckende Ruhe unter einer Statue, die zwei Pferde als Einhörner zeigt.
Man lehnt sich gegen die Balustrade, der Puls beruhigt sich wieder und der Gedanke fällt einem zu, dass man ohne jegliche Absicht einen regelrechten Kreis um die historische Altstadt Montpelliers beschritten hat, der sich hier und jetzt schließt.
Plötzlich reißt einen die sanfte Stimme eines Mannes aus seinen Gedanken. Man wendet sich um. Tatsächlich gehört diese Stimme demselben jungen Mann, der einem etwa vierzehn Stunden zuvor bereits begegnete, als er von seiner nächtlichen Bleibe, einer Parkbank im Jardin des Plantes verwiesen wurde.
Man sah seinen wachen Blick, spürte eine Art innere Aufgeräumtheit und fragte sich, wer er wohl sei. Er heißt Viktor, ist offensichtlich noch auf Gesellschaft aus und hat eine Dose Heineken Bier als Austausch anzubieten.
Man erfährt, dass er erst zwanzig Jahre alt ist, aus Avignon stammt, dort in einem Heim aufwuchs, dass er seinen Hund bereits vor 8 Jahren als Welpe an sich nahm und dass er beabsichtigt, in Montpelliers historischer Altstadt als Straßenmusiker etwas Geld zu verdienen, bis er auf Grund eines ergatterten Studienplatzes der Medizin eine Förderung erhalten werde, die ihn dann in die Gelegenheit versetzen wird, sich um ein Zuhause zu bemühen.
Nach einer vollen Stunde angeregter Plauderei, angefüllt mit den vielen Bildern des Spaziergangs, kehrt man schließlich ins nahe Hotel du Palais ein, in dem am frühen Morgen die Reservierung mit Füller in ein Din A4 Buch eingetragen wurde. Man öffnet die Knöpfe seiner Jacke, blickt auf die Stühle der Terrasse, die über Nacht in einer Ecke der pittoresken Lobby aufgestapelt wurden, blickt weiter auf die um diese Mitternachtsstunde verwaiste Rezeption und dort, auf ein Tablett, auf dem eine leere Flasche Champagner mit zwei Gläsern abgestellt wurde und stolpert in sein Zimmer.
Viktor und sein Hund sind bereits wieder fort, bevor das erste Tageslicht durch die Gardinen dringt. Auf dem wohl für Kinder aufgestellten Zusatzbett sieht man noch die Aushöhlung des Kissens, die sein Kopf hinterlassen hat.
Diffus erkennt man auf dem Nachttisch eine gebundene, abgegriffene Lektüre von Emmanuel Bove. Sie trägt den Titel: Bécon le Bruyères. Durch die Türritzen dringt bereits der Geruch frischen Cafés.
Comment venir ?
Mit dem Auto: 2 Stunden von Toulouse und Marseille und 3 Stunden von Barcelona, Lyon, Grenoble und Nizza über die A9 und 3,5 Stunden von Clermont-Ferrand über die A75 und das Millau-Viadukt entfernt. Es gibt zahlreiche Parkplätze in der Stadt, die jedoch nicht kostenlos sind…
Mit dem Zug: 3 Stunden und 40 Minuten von Paris (direkter TGV), 2 Stunden von Toulouse und Marseille, 2 Stunden und 40 Minuten von Grenoble und 4 Stunden von Genf entfernt. Der Zug ist eine sehr gute Möglichkeit, um nach Montpellier zu kommen. Achtung, es gibt zwei Bahnhöfe in Montpellier: Entscheiden Sie sich für den Gare Saint-Roch im Herzen der Stadt!
Mit dem Flugzeug: Der Flughafen Montpellier-Méditerranée ist nur 20 Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Der Flughafen-Shuttle bringt Sie ins Herz des Viertels Antigone, von wo aus Sie mit der Straßenbahn Ihr Endziel erreichen können!
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